Riesengebirge: Auf die Schneekoppe (2) – Gipfelsturm

Forsetzung von (1) Über den Ziegenrücken auf die Weiße Wiese
Während die ersten fünf Kilometer bis hierher steil und schweißtreibend gewesen sind, könnten die folgenden nicht unterschiedlicher sein. Vor uns breitet sich die subalpine Hochebene der weißen Wiese/ Bílá louka aus. Ein fast topfebenes und weitgehend baumfreies Plateau auf etwas über 1.400m Sehöhe. Seine Ränder bilden, zumindest aus dieser Perspektive, niedrige Hügelkuppen. Diese „Hügel“ brechen allerdings zu allen Seiten steil in Gletscherkessel ab – das wird aber erst aus anderer Perspektive deutlich, etwa bei unserem Aufstieg über den Ziegenrücken oder von der Schneekoppe .

Die Wiesenbaude ist die größe und älteste Baude des Riesengebirges. Sie liegt im Herzen der Weißen Wiese und diente einst, wie so viele Bauden, der alpinen Weidewirtschaft. Heute ist sie ein Hotel.

Über die Wiesenbaude zum Koppeplan

Auf gut der Hälfte der Strecke passieren wir die Wiesenbaude (1.410m), die größte und älteste Baude des Riesengebirges. Die Hütte wirkt wenig einladend, sogar ein bisschen gruselig – was auch an der noch nicht ganz aus den Winterschlag erwachten Umgebung liegen mag. Wir haben aber ohnehin noch nicht vor einzukehren, denn mit jedem Schritt gewinnt unser Hauptziel des Tages an Konturen, die Schneekoppe.

Die Schneekoppe ist der höchste Gipfel des Riesengebirges und der mitteleuropäischen Mittelgebirgsschwelle. Auch in den Riesenbergen sticht die schuttbedeckte Gipfelpyramide hinaus. Ein lohnendes Wanderziel.

Nach gut fünf Kilometern erreichen wir den Koppeplan, ein latschenbestandenes Plateau am Fuß der Schneekoppe. Kurz bevor sich vor uns der Gipfel aufbaut, geht es noch mal ein paar Meter hinab zum Pass zwischen Melzergrund im Norden und Riesengrund im Süden (1.389m), dann beginnt der Aufstieg.

Aufstieg zur Schneekoppe. Noch ein anstrengender Kilometer mit etwas mehr als 200 Höhenmetern Aufstieg liegen vor uns.

Kurz und knackig: Aufstieg zur Schneekoppe

Die kahle Gipfelpyramide ragt weit über die Baumgrenze hinaus, alpine Schutthalten prägen das Landschaftsbild. Die Schneekoppe ist mit 1.603m der mit Abstand höchste Berg der mitteleuropäischen Mittelgebirgschwelle, der höchste zwischen Alpen und dem Skandinavien. Die Schneekoppe war schon immer Gegenstand von Mythen und Sagen, ob heute bei Polen und Tschechen oder einst bei Preußen und Habsburgern. Ihre Anziehungskraft hat sich bis heute erhalten, sie ist der meistbestiegene Gipfel des Riesengebirges. In weiser Voraussicht haben wir für den Besuch der Schneekoppe einen Wochentag ausgesucht – denn hier kann es richtig voll werden. Heute ist es angenehm.

Der Anstieg zum Gipfel ist kurz, aber wie sagt man so schön, in der Kürze liegt die Würze. Auf etwas weniger als einem Kilometer windet sich der sogenannte „Kettenweg“ in steile Serpentinen, durch die Geröllfelder und Felsen, auf den Gipfel der Schneekoppe. Dabei überwindet er 214 Höhenmeter – bei teils mehr als 25% Steigung. Da bleibt einem manchmal die Luft weg, die beim Staunen, dem Blick in die Umgebung, schnell zurückkommt.

Eindrucksvolles Panorama. Tiefblick in den Gletscherkessel des Riesengrundes – dem obersten Talabschnitt der Aupa. Gegenüber zeugen die steilen Abbruchkanten des Brunnenbergs (1.555m) von der einstigen Tätigkeit des Eises am Übergang zur Weißen Wiese.

Auf dem Dach Tschechiens

Auf dem Gipfel liegt uns das Riesengebirge und ganz Tschechien zu Füßen. Nur das diesige Wetter trübt die Fernsicht – weit besser als der Nebel und die Wolken an den Vortagen. Nichts und niemand kann zu Fuß gehenden das Gipfelerlebnis nehmen – auch keine Flip-Flop-Träger. Dank der Seilbahn von Pec pod Sněžkou (Petzer) und der Kreuzung von drei Wanderwegen herrscht hier oben reger Betrieb, aber ohne das es überfüllt wäre. Lediglich die polnische Baude, als Zeugnis sozialistischer Architektur, wirkt etwas fehl am Platze. Sie zeugt aber, neben der St.Laurentius-Kapelle aus dem 17. Jahrhundert von der wechselvollen Vergangenheit und der Grenzlage der Schneekoppe.

Nach kurzer Rast machen wir uns an den Abstieg über den Jubiläumsweg, der in weitem Bogen ein mal um die Schneekoppe herum führt. Zuerst reicht der Blick auf die östliche Verlängerung des Hauptkamms mit der Schwarzen Koppe (1.409m) und ihrem markanten Kammweg – den wir uns für die Zukunft merken. Anschließend passieren wir den Nordhang der Schneekoppe, den Schutt und Geröllhalden in ein Meer von Steinen verwandelt haben.

Einkehr im Schlesierhaus

Nach dem Abstieg kehren wir im Schlesierhaus (poln. Schronisko Dom Śląski) ein. Einst befand sich hier ein Grenzposten. Die EU und das Schengen-Abkommen haben die innereuropäischen Grenzen fast vergessen gemacht, die wir in den letzten Tagen mehrfach zu Fuß überquert haben. Kaum zu glauben, dass dies alles noch vor wenigen Jahren sehr viel schwieriger gewesen ist. Die vielen gesellschaftlichen und politischen Fortschritte, die uns ein friedliches Europa beschert haben, nehmen wir oft als viel zu selbstverständlich hin.
Das Schlesierhaus bietet typisch polnische Küche, die wir in den letzten Tagen zu schätzen gelernt haben – auch wenn es für Einweggeschirr samt Bier im Plastik-Wabbelbecher Abzüge in der B-Note gibt. Mit vielen Kilometern und etlichen Höhenmetern in den Beinen rastet es sich einfach überall gut, wir sind zufrieden. Nach der Rast geht es weiter, über die Weiße Wiese, den Hochwiesenberg und das Grundwassertal zurück nach St. Peter.

Blick vom Jubiläumsweg auf unser Zwischenziel, das markante, gelbe Schlesierhaus. Neben den Gletscherkessel des Riesengrundes. Dahinter erhebt sich, wie ein Schild die weite, flache und baumlose Weiße Wiese.

wird fortgesetzt

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