Der „Descent de la Lesse“ ist eine der beliebtesten Aktivitäten in Dinant. Dabei handelt es sich um eine Kajak/Kanu Abfahrt auf der Lesse, einem etwa 100km langen Nebenfluss der Maas. Eine Tour durch eine reizvolle Landschaft, über Stromschnellen und zwei Wehre, vorbei an Felsformationen und einem Schloss. Ein echtes Abenteuer das ein Naturerlebnis aus einer ganz anderen Perspektive möglich macht. Ich habe in meinem Leben noch nie zuvor in einem Kajak gesessen. Meine Begleitung zuletzt in der Schulzeit – und sie hat es gehasst. Beides, so der Plan, wollen wir nun ändern – und wir haben es geändert.
Mit dem Zug von Anseremme nach Gendron
Gesagt getan. Am frühen Morgen stehen wir bei Dinant-Evasion in Dinanter-Stadtteil Anseremme, wo die Lesse in die Maas mündet.. Der Parkplatz ist bis auf hunderte Kajaks verwaist, aber an der Kasse kann man uns weiterhelfen. Für etwa 40€/Person buchen wir die 12km Kajak-Tour (man hat die Wahl zwischen 8,12 und 21km) und erhalten dafür eine Quittung und eine Zugfahrkarte. Man nennt uns eine Uhrzeit und zeigt mit dem Finger in die Richtung, in die wir gehen müssen. Das wars. Aufgrund der Beschilderung fragen wir uns zunächst ob wir nun doch mit dem Bus fahren müssen? Schließlich stehen wir dann, mit einer Handvoll anderen Personen, am Bahnsteig. Die Zugfahrt nach Gendron dauert etwa 10 Minuten. Unterwegs haben wir hier und da mal einen Blick auf das was uns erwartet: ein wunderschönes Tal.
Über die Bootsrutsche in die Lesse
In Gendron steigen wir aus der Bahn und folgen, auch hier, ausschließlich unserer Intuition zum Schalter von Dinant-Evasion. Hier erhalten wir im Gegenzug zu unserer Quittung ein weiteres Ticket… Nach weiteren 200m schnappen wir uns dann, wieder aus reiner Intuition Paddel und einen wasserdicht verschließbaren Eimer. Informationen, Einweisung, Sicherheitshinweise oder Tipps auch hier: Fehlanzeige! Keine 50m weiter sitzen wir dann im Kajak und über eine Bootsrutsche landen wir dann im Fluss. Ein erster Adrenalinkick – alles gutgegangen! Der Descent de la Lesse, das Abstieg auf der Lesse beginnt. Von nun an geht es 12km flussabwärts in Richtung Maas.

Natur pur vom Kajak aus
Die Lesse maändriert durch ein enges, naturbelassenes Tal. Wunderschön. Mal plätschert der Fluss lautlos vor sich hin, mal stellen sich uns kleinere Stromschnellen in den Weg. Wir lernen, stille Wasser sind tief. Dort wo die Strömung reißend ist, ist der kiesige Grund nur wenige Zentimeter entfernt. Hier und da lauern auch größere Felsen im Strom die meistens an Wasserturbulenzen zu erkennen sind. Wir lernen das Kajak zu beherrschen, mal paddeln wir, mal lassen wir uns einfach treiben und manchmal rammen wir auch unkontrolliert das Ufer oder setzen auf. Kurzum wir haben Spaß, sehr viel Spaß sogar. Die wenigen Mitstreiter lassen uns schon auf den ersten Metern hinter sich, wir sind praktisch allein mit dem Fluss und in der Natur, einfach toll.



Die Lesse mit Haut und Haaren spüren
Die ersten Stromschnellen meistern wir gekonnt. Wir navigieren immer besser über den, sich durch die Ardennen krümmenden Fluss. Es gilt einfach nur das Gleichgewicht zu halten um lautlos über die Lesse zu gleiten. Wir passieren Abbruchkanten, verwunschene Felsformationen, Kiesbänke und allerlei Wurzelwerk. Ein eindrucksvolles Erlebnis.
Dann passiert was passieren musste. Mein Boot liegt quer im Fluss, aus irgendeinem Grund verliere ich das Gleichgewicht, mein Kajak kentert – und platsch, ich treibe im Wasser. Nur die Mütze bleibt trocken. Meine Versuche im Wasser wieder in das Boot zu steigen scheitern kläglich (vermutlich kann das auch gar nicht funktionieren). Das Wasser ist tief, ich muss schwimmen – und das ist mit Schuhen und Kleidung gar nicht so leicht. Nach gefühlt einigen hundert Metern (In der Realität eher 30) schwimme ich zu einer Kiesbank. Dort entsteige ich, wie ein nasser Pudel, mit an der Kleidung klebenden Blättern, dem zum Glück nicht allzu kalten Nass. In der Zwischenzeit rettet meine Lebensversicherung das Kajak, mein Paddel und meinen da hertreibenden Eimer und schleppt sich gegen die Strömung zu meine Kiesbank. Und nun? Erst mal ausziehen, Kleidung auswringen und Schuhe auskippen um dann mit T-Shirt, Schuhen und Unterhose wieder ins Kajak zu steigen. Ersteres gelingt, das vollgelaufene Kajak auszukippen gestaltet sich etwas schwieriger – doch dann kann es weiter gehen.

Klatschnass und um eine Erfahrung reicher
Die Aussicht auf eine eiskalte Weiterfahrt verflüchttigt sich schnell. Die Luft ist wärmer als gedacht, das Paddeln tut sein übriges. Wir sehen Eisvögeln beim Fischen zu, am Ufer schnattern Gänsefamilien und auf den Wiesen muhen die Kühe, der Spaß und das Erlebnis sind zurück. Die Natur vom Wasser aus zu erleben eröffnet uns ganz neue, ganz andere Perspektiven. Weitere Malheure bleiben dann auch aus.

Verwunschene Schlösser und Sohlschwellen
Nach einigen Flusskrümmungen erreichen wir das auf einem Felsen, hoch über der Lesse thronende „Chateau de Walzin“. Ein Schloss wie im Märchen – vom Wasser aus erst recht. Gleich dahinter liegt das erste von zwei Wehren. Wie wir darüber kommen? Gute Frage! Ein Baggerfahrer unterhalb des Wehres gibt uns den Tipp mit Schwung über gut 2m hohe, aber flache Sohlschwelle zu rutschen – hätten wir den Schwung nur nicht schon verloren. Mit etwas Körpereinsatz gelingt es auch ohne, unten angekommen setze wir unsere Kajaks erst mal auf Grund. Die Lesse ist hier so flach, dass wir aussteigen müssen. Wieder Wasser in den Schuhen! Dann geht es weiter in Richtung Ziel.

Glücklich und nass zum Ziel
Nach einigen Flusskrümmungen erreichen wir das letzte Wehr, diesmal ohne Sohlschwelle. Diesmal muss es die Bootsrutsche mit seiner reißenden Strömung sein. Ob das gut geht? Es geht – nur bleiben wir nicht trocken. Wie in einer künstlichen Wildwasserbahn schwappt die Welle in unsere Kajaks. So ist das eben bei Abenteuern.
Unterhalb des zweiten Wehres lässt die Strömung nach, die Lesse dümpelt langsam der Maas entgegen. An den naturbelassenen Ufern entdecken wir tatsächlich eine Schildkröte, die unser Naturerlebnis komplettiert.

Schließlich streben wir dem Ziel entgegen. An der Betonkaie werden wir kommentarlos aus dem Boot gefischt. Das passt in das Bild, dass wir inzwischen vom Veranstalter gemacht haben.
Naturerlebnis ohne Service
Nun die Frage, hat es sich gelohnt? Ja und wie! Wir hatten trotz Malheur einen Riesenspaß und haben ein Abenteuer erlebt, an das wir noch in Jahren denken werden. Den Descent de la Lesse haben wir mit bravour, naja fast, gemeistert. Es war weit mehr als das Erlebnis das wir uns erhofft- und auch mehr als wir erwartet haben. Die eindrucksvolle Natur und die teils wildromantische Landschaft haben ihren Teil dazu beigetragen.
Das Erlebnis steht leider im krassen Gegensatz zum Veranstalter. Kein Service, keine Informationen von Anfang bis Ende. Ab ins Wasser und auf Wiedersehen. Keine Einweisung, keine Hinweise das man auf jeden Fall nass wird, wie man sich bei einem Unfall verhalten soll oder wie man Hilfe organisieren könnte. Dafür klar den Daumen runter – auch wenn am Ziel heiße Duschen zur Verfügung stehen. In der Hochsaison sollen wahre Menschenmassen auf dem Fluss unterwegs sein – und das können wir uns Aufgrund der an Start und Ziel gestapelten Boote auch vorstellen. Trotzdem, die Natur scheint es offenbar zu verkraften. Wir sind auch unsere Kosten gekommen, auf einem einsamen Fluss in einer wunderschönen Landschaft. Ein muss wenn man in Dinant ist!


Ob dieses Flüsschen „wahre Menschenmassen“ verkraftet, darf bezweifelt werden. – Zu seinen Gunsten hoffe ich doch, dass – mindestens für die Zeiten des Laichens und Jungfischheranwachsens – sowie abhängig von Niedrigwaserführung Sperrzeiten existieren.
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Ganz sicher, das ist ja gar keine Frage, hat der Trubel Auswirkungen auf die Natur um und im Fluss. Die Natur zu erleben hat leider immer eine Kehrseite.
Dafür das der Fluss während der Laichzeiten gesperrt wird würde ich nicht meine Hand ins Feuer legen. Bei Niedrigwasser wird er auf jeden Fall gesperrt.
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