Der Rhonegletscher einer der am besten erforschten Eisströme überhaupt. Seit 1874 besteht eine beinahe ununterbrochene Messreihe, die sowohl Längenänderungen, Massen- und Eisdickenmessungen sowie auch Fließgeschwindigkeiten und -richtungen umfasst. Viele dieser Daten sind heute frei zugänglich1), einen Teil davon möchte ich im folgenden Visualisieren.
Der Gletscherschwund seit 1850 war nicht kontinuierlich. Im Gegenteil, der Rückgang wurde von einigen Vorstoßphasen unterbrochen. Dennoch, der Rhonegletscher wies seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie eine so geringe Masse auf und war noch nie so kurz wie in der Gegenwart.
Längenmessungen
Seit dem Jahr 1879 wird das Zungenende des Rhonegletschers regelmäßig, meist im Abstand von einem Jahr, vermessen2). Damals lag der Gletscherrand gute 150m hinter der Endmoräne aus der Kleinen Eiszeit (1856). Bis ins Jahr 2017 hat sich der Rhonegletscher weitere 1700m zurückgezogen – in der Länge. Das Zungenende hat sich auch in die Höhe verlagert. In Regionen mit eigentlich tieferen Temperaturen – doch das Schmelzen geht weiter. Es wird immer wärmer, auch in der Höhe. Lag das Gletschertor einst auf einer Seehöhe von 1.750m, endet der Rhonegletscher heute in einem See auf 2.210m.

Gletscherrückgang in Etappen
Der Gletscherrückgang erfolgte nicht gleichmäßig. In den 1920er- und den 1980er Jahren kam es in Folge einiger kühler Sommer sogar zu Vorstößen, die den allgemeinen Trend jedoch nicht zu stoppen vermochten. In den 1940er Jahren zog sich der Rhonegletscher über die Felsstufe zurück und verlor so enorm an Länge. Anschließend überwog der Massenverlust den Längenverlust. Das Eis wurde vor allem dünner. Seit etwa 2010, der Bildung des Gletschersees, schwindet der Rhonegletscher auch wieder beschleunigt in der Länge.

Massenbilanzmessungen
Am Rhonegletscher werden seit 2007 wieder regelmäßig Massenbilanzen ermittelt3). Dies ist ein relativ aufwändinger Prozess. Dazu wird im Winter die Menge und Masse des gefallenen Schnees bestimmt, die Akkumulation. Am Ende des Sommers wird schließlich die abgeschmolzene Eismenge- sowie die verbliebene Schneemasse gemessen – die Ablation. Die Summe von Sommer und Winterlanz bildet schließlich die Jahresbilanz.
Seit 2007 ist in jedem Jahr mehr Eis abgeschmolzen, als durch Schneefall ersetzt werden konnte. Folglich schrumpft der Gletscher – und zwar deutlich.

Seit Oktober 2006 hat der Rhonegletscher 9.300mm Wasseräquivalent/Quadratmeter verloren was fast 11m Eisdickenverlust über den gesamten Gletscher ausmacht. Anders ausgedrückt, der Rhonegletscher hat in diesen Zeitraum 145 Milliarden Liter Wasser verloren. Zusätzlich hat sich vergletscherte Fläche von 15,93 auf 15,19km² verkleinert. Das enspricht einem Verlust von mehr als 6 Hektar Gletscherfläche pro Jahr – oder um den berühmten Fussbaldfeldvergleich zu bemühen, gut 15 Fussballfeldern pro Jahr. Da der verbliebene Gletscher immer dünner wird, wird sich der Flächenverlust noch weiter beschleunigen.
Eisvolumen & Gesamtmasse
Das Volumen des Rhonegletschers wurde 2011 mit etwa 2,11km³ bestimmt4), was etwa 2,6% der gesamten Eismasse der Alpen entsprach (2011 etwa 80km³5)).
Dank Daten historischer Geländemodelle lässt sich das Volumen für die Jahre 1874, 1929, 1959, 1980, 1991 und 2000 hochrechnen6). Weiterhin mit den Daten der Massenbilanzmessungen auf die Jahre 1979-1982 und 2006-2018 ausdehnen3). Hierfür habe ich die Dichte von Wasser mit 1g/cm³ und von Gletschereis mit 0,85g/cm³ angenommen.
Mit Hilfe dieser Daten lässt sich die Entwicklung des Eisvolumens seit 1870 gut visualisieren:
Entwicklung des Eisvolumens am Rhonegletscher seit 1879

Seit dem Ende der „Kleinen Eiszeit“ um 1850 hat sich das Eisvolumen kontinuierlich verringert. Zwischenzeitliche Volumensgewinne, vermutlich um 1890 und 1910-1920 lassen sich, mangels Daten, nicht darstellen – wohl aber die letzte Phase zwischen 1960 und 1980. Um 1980 wies der Rhonegletscher noch 25% mehr Volumen auf als heute. Um 1850, dürfte das Volumen um 50% größer gewesen sein. In den letzten Jahren verringerte sich das Volumen des Rhonegletschers jährlich um mehr als 1%. Hält dieser Trend an, wird das Eis bis zum Ende des Jahrhunderts verschwunden sein.

Nach dem Sommer 2018 betrug das Volumen des Rhonegletschers noch 1,94 km³ was in etwa einer Eismasse von 1.649 Millionen Tonnen Eis- oder einem Eiswürfel mit einer Kantenlänge von 1.24m entspricht.
Allein in den warmen Sommermonaten des Jahres 2018 verlor der Gletscher 27,8 Millionen m³ Eis – was einer Wassermenge von 23,6 Milliarden Litern- oder einem Eiswürfel mit einer Kantenlänge von 287m entspricht.
Eisfläche
Im Zuge der Massenbilanzmessungen wir auch auch regelmäßig die Fläche des Rhoneglegtschers ermittelt. GLAMOS bietet darüberhinaus die Flächen von drei sogennanten Gletscherinventaren 1850, 19737) und 20108), die ich transformiert und in eine Google-Maps Karte übertragen habe. Das Glescherinventar von 1850 habe ich verbessert, in die Inventare von 1973 und 2010 die einstmals mit dem Rhonegletscher verbundenen, heute selbständigen Eisflächen, mit einbezogen.
Der Rhonegletscher auf dem Höhenpunkt der Kleinen Eiszeit um 1850, 19737) und 20108)
Zukunftsprognosen
Der Rhonegletscher von 1874-2007
Prognostizierte Zukünftige Enwicklung des Gletschers bis 2100
siehe auch:
- Alle Beiträge über den „Rhonegletscher“ auf diesem Blog
- Der Rhonegletscher im Klimawandel
- Eisgrotte im Rhonegletscher
Verweise:
Quellen:
1) Glacier Monitoring Switzerland GLAMOS http://www.glamos.ch
2) Längenänderung: GLAMOS 1881-2018, The Swiss Glaciers 1880-2016/17, Glaciological Reports No 1-138, Yearbooks of the Cryospheric Commission of the Swiss Academy of Sciences (SCNAT), published since 1964 by VAW / ETH Zurich, doi:10.18752/glrep_series.
3) Massenbilanz: GLAMOS (2018). Swiss Glacier Mass Balance, release 2018, Glacier Monitoring Switzerland, doi:10.18750/massbalance.2018.r2018.
4) Eisvolumen Rhonegletscher 2011, Farinotti et al., 2009
5) Eisvolumen Alpengletscher: Haeberli, W., F. Paul and M. Zemp (2013): Vanishing Glaciers in the European Alps, Fate of Mountain Glaciers in the Anthropocene Pontifical Academy of Sciences, Scripta Varia 118, 2013, http://www.pas.va/content/dam/accademia/pdf/sv118/sv118-haeberli-paul-zemp.pdf
6) Volumen: GLAMOS (2018). Swiss Glacier Volume Change, release 2018, Glacier Monitoring Switzerland, doi:10.18750/volumechange.2018.r2018. https://www.glamos.ch/downloads#tab-volumen
7) Schweizer Gletscherinventar 1973: Müller, F., Caflisch, T. & Müller, G. 1976, Firn und Eis der Schweizer Alpen (Gletscherinventar). Publ. Nr. 57/57a. Geographisches Institut, ETH Zürich, 2 Vols. & Maisch, M., Wipf, A., Denneler, B., Battaglia, J. & Benz, C. 2000, Die Gletscher der Schweizer Alpen: Gletscherhochstand 1850, Aktuelle Vergletscherung, Gletscherschwund-Szenarien. (Schlussbericht NFP 31). 2. Auflage. vdf Hochschulverlag an der ETH Zürich, 373 pp. & Paul, F. 2004, The new Swiss glacier inventory 2000 – application of remote sensing and GIS. PhD Thesis, Department of Geography, University of Zurich, Schriftenreihe Physische Geographie, 52, 210 pp.
8) Schweizer Gletscherinventar 2010: Fischer, M., Huss, M., Barboux, C. & Hoelzle, M. 2014, The new Swiss Glacier Inventory SGI2010: relevance of using high-resolution source data in areas dominated by very small glaciers. Arctic, Antarctic, and Alpine Research, 46, 933–945.
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