Wandern im Martelltal: Durchs Paradies zur Marteller Hütte

Den Auftakt für unserer Wandertage rund um den Ortler bildet die Kulisse des südlichen Martelltals in Südtirol. Die Tour kann alles, hochmontane Lärchenwälder, bunte Almwiesen, tosende Gletscherbäche und hochalpine Geröllfelder im Vorfeld dahinschmelzender Eisfelder. Dazu eine gigantische Hochgebirgskulisse mit den (noch) eisbedeckten Gipfeln des Cevedale.

Vom Martelltal zur Zufallhütte

Ausgangspunkt ist der Parkplatz im Talschluss beim Gasthof Schönblick in Hintermartell (2.040m). Wir folgen zunächst der Straße durch den Lärchboden bis kurz vor der Ruine des ehemaligen „Hotel Paradies“ wo wir in den Wald abbiegen. Der Plima-Schluchtenweg ist gut besucht, vor allem Familien sind hier unterwegs. Daher lassen wir die zahlreichen Aussichtspunkte links liegen und steigen zügig auf, wo wir den Trubel hinter uns lassen. Erst kurz vor der Zufallhütte halten wir inne, und beobachten, wie die Wassermassen des Plimabachs in einem tosenden Wasserfall, spektakulär in die Plimaklamm stürzen – nichtwissend, dass uns noch weit atemberaubendere Kaskaden erwarten. Anschließend queren wir die Schlucht über eine kurze, wenig spektakuläre Hängebrücke und stehen nach insgesamt 2km an der Waldgrenze im Zufall (was kein Zufall ist) vor der Zufallhütte (2.264m) wo wir eine kurze Rast einlegen.

Über die Alte Staumauer zum Zufall

Nach kurzem Aufstieg von der Zufallhütte erreichen wir den flachen Boden des Langentals, dem obersten Abschnitt des Martell. Hier überqueren wir die „Alte Staumauer“ (2.310m). Diese zeugt heute noch heute von der „kleinen Eiszeit“ im 19. Jahrhundert. Damals, erreichten die Alpengletscher ihren nacheiszeitlichen Höchststand, das obere Martelltal war weitgehend von den Eismassen der Gletscher aufgefüllt. Zwischen dem Zungenende des Zufallferners und dem Gletscherende des Langenferners bildete sich nach jedem Winter ein Eisstausee. Im Zuge der Schneeschmelze brachen die Barrieren unter dem Eis und regelmäßige Sturzfluten – mit teils katastrophalen Auswirkungen im Martelltal waren die Folge. Die Staumauer wurde im Jahr 1893 fertiggestellt und konnte sich aufgrund der beginnenden Gletscherschmelze nur ein mal, im Jahr 1895, ihre Wirksamkeit unter Beweis stellen. Inzwischen sind die Eisriesen dramatisch geschrumpft und ungefährlich – im Gegenteil, ihr Verschwinden ist jetzt die brutale Realität und stellt den Wasserhaushalt im Martelltal auf den Kopf. Das können wir sehen und hören. Direkt vor uns stürzt das Schmelzwasser der „kleinen“ Gletscher Schranferner, Ultenmarktferner und Hohenferner im Zufall (so der Name des Wasserfalls) über eine Steilstufe. Gigantische Wassermassen, ohrenbetäubender Lärm. Unvorstellbar, dass jeder Tropfen davon noch vor Stunden gefroren war – und das für eine sehr sehr lange Zeit. Ist das Eis erst einmal Weg, wird es hier im Sommer nur noch ein Rinnsal geben – traurig, aber wahr.

Der Zufall speist sich aus den schmelzenden Gletscher. Durch den heißen Sommer leidet das „ewige Eis“ in den Alpen noch mehr als ohnehin. Die Alpengletscher erreichen bald ihr Verfallsdatum.

Vom Zufall auf die Geländestufe

Hinter der Staumauer queren wir noch kurz das wunderschöne Hochtal mit seinen Bachläufen und bewundern den Zufall (2.330m)bevor es ans eingemachte geht. Der anspruchvollste Teil der heutigen Wanderung steht bevor. Zwischen uns und dem Gletschervorfeld, dass uns zur Marteller Hütte führen wird, liegt eine rund 250m hohe Steilstufe. Diese gilt es auf den folgenden Kilometer über Felsen, Geröll und auf aufgesetzten Wegen in Serpentinen zu überwinden. Was sich schweißsteibend anhört ist trotzdem ein Genuß, mit jedem Höhenmeter steigert sich die Aussicht, bis wir schließlich den Talschluss weit unter uns gelassen haben und die Geröllfelder im Gletschervorfeld des Hohenferners (2.530m) erreichen. Hier haben wir uns, auch den letzten Grashalmen, eine kleine Rast verdient. Das gilt auch für unseren Dackel, inzwischen im Seniorenalter, der sich bis hierher Tapfer geschlagen hat.

Durch das Gletschervorfeld Marteller Hütte

Hinter Geländekante warten der Moränenschutt von Hohenferner und Ultenmarktferner. Vor gut 150 Jahren reichte ihr Eis noch bis zur Steilstufe, heute Enden sie fast 500 Höhenmeter weiter oben und es sind noch weitere 300 Höhenmeter bis zu Grat übrig. – das wird der Klimawandel auch noch erledigen. Eher früher als später.
Wir steigen noch ein Stück über die Endmoräne des Gletschers auf und queren den in der Mittagshitze stark angeschwollenen Schmelzwasserbach. Anschließend erreichen wir auf der gegenüberliegenden Moräne eine Höhe von 2.620m und damit den Kulminationspunkt der heutigen Wanderung. Gleich dahinter kommt die Marteller Hütte (2.285m) in Sicht, die wir schließlich nach einen kurzen Abstieg über Fels und Geröll erreichen.

Einkehr an der Marteller Hütte

Die Marteller Hütte ist schön gelegen und bietet einen tollen Blick auf das Langental, die Zufallspitzen und seine Gletscher. Sie ist Ausgangspunkt für Hochtouren zu den Gipfeln des Cevedale und mit Baujahr 1980, für eine alpine Schutzhütte recht jung. Wir selbst kehren ein – was mich als Vegetarier, wie auch an den Folgetagen, vor eine kleine Herausforderung stellt. Das wird sich in Zukunft bessern, da bin ich sicher.

Abstieg ins Tal

Mit der Marteller Hütte haben wir unser Ziel erreicht, nach der Einkehr machen wir uns auf den Rückweg ins Tal. Zunächst wieder 250 Höhenmeter steil bergab, dann Flach über den Boden des malerischen Langentals. Dieses erreichen wir ungefähr dort, wo sich vor 150 Jahren der Gletscherrand des Zufallferners lag. Noch heute zeugen kleine Moränenwälle und die im Vergleich zur Umgebung, geringere Vegetationsbedeckung, von der einstigen Eisausdehnung. Mittlerweile wachsen hier bereits einzelne Bäume – in 30 Jahren vielleicht ein Wald?

Die Plima, der Bach, der das ganze Martelltal quer, hat hier oben seinen Ursprung. Er speist sich aus den Schmelzwassern der Gletscher um die Zufallspitzen. Derzeit, aufgrund der hohen Temperaturen – auch in der Höhe, schmilzt besonders viel Eis. Trotz mittlerweile 4-wöchiger Dürrephase führt er Hochwasser. Das gibt zu denken. Wir kehren über die Zufallhütte, mit vielen schönen Erinnerungen, schweren Beinen – und ohne Sonnenbrand, zurück zum Ausgangspunkt in Hintermartell.

Statistik:
„Rundtour“
Streckenlänge: 10,5km
Aufstieg: 790m
Abstieg: 790m
Höhe Max: 2620m
Höhe Min: 2.040m

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