Die Bedrohung des Wattenmeers ist aktueller denn je. Derzeit läuft die 9.(!) Elbvertiefung. Diese soll den Hamburger Hafen für noch größere Schiffe, tideunabhängig erreichbar machen. Was auf der einen Seite der Hafenwirtschaft helfen soll, hat auf der anderen Seite gravierende Auswirkungen auf die Umwelt. Nicht nur die Vertiefung an sich, auch die ungeheure Umwälzung von Sedimenten, die Veränderung von Strömungen und des Gezeitenkreislauf sind nur einige der teils unkalkulierbaren Folgen. Bisher wurden alle Klagen von Anwohnern und Naturschutzverbänden gegen die erneute Vertiefung abgeschmettert.
In den Vergangenen Tagen wurden an verschiedenen Orten an der Nordsee und in der Elbmündung eine große Anzahl toter Fische angespült. Auch wenn bisher kein „Einzeltäter“ ermittelt werden konnte – es liegt auf der Hand, dass die derzeitigen Eingriffe in das vom Menschen bereits stark belastete Ökosystem der Elbmündung nicht folgenlos bleiben können.
Schon ein einzelnes Ereignis, ob natürlich oder anthropogen, kann das System zu kippen bringen. Sicher haben sich die großen Baggerschiffe nicht grundlos, nach Bekanntwerden des Fischsterbens, vorerst, aus dem Staub gemacht.
Bildvergleiche machen Veränderungen sichtbar
Im Folgenden möchte ich einige Satellitenbilder des Wattenmeers vor Cuxhaven und in der Elbmündung vorstellen. Diese zeigen teils dramatische Veränderungen, die vor allem entlang der Außenelbe auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen sind – wohlbemerkt im Nationalpark Wattenmeer und im UNESCO Weltnaturerbe. Einer weltweit in seiner Ausdehnung einzigartigen Naturlandschaft.
Die Bilder stammen von den Erdbeobachtungssatteliten Landsat 7 und Sentinel 2. Es handelt sich um Infrarotaufnahmen, Vegetation erscheint daher rötlich.
Zur Lokalisierung einzelner, beschriebener Örtlichkeiten, Wattbereichen und Prielen findet sich am Seitenende eine Übersichtskarte.
Wattenmeer zwischen Scharhörnriff und Cuxhaven 2001-2020


Deutlich sichtbar ist die Wandlung des Scharhörnriffs in ein hochsandähnliches Gebilde sowie der Flächenzuwachs der Inseln Scharhörn und Nigehörn (Nordwesten). Diese (grundsätzlich positve) Entwicklung könnte mit Verklappungen von Baggergut in diesem Bereich zu tun haben. Auch die Ausbreitung der Pazifischen Felsenauster (hellrote Flecken im Watt) ist deutlich sichtbar.
Dramatischer, leider im negativen Sinne, sind die Veränderungen entlang des Leitdamms zwischen Mittelgrund und Kugelbake (Osten). Dazu mehr in den folgenden Bildern.
Cuxwatt zwischen Elbe und Neuwerk 2001-2020


Vor Cuxhaven ist vor allem die Vergrößerung der Wattfläche an der östlichen Kante offensichtlich. Dort ein Wasserbauwerk, der sogenannte Leitdamm. Dieser unterbricht die natürliche Dynamik, sorgt auf der Westseite für Sedimentation, auf der Ostseite für Erosion und hält so die Fahrrinne auf Tiefe – ganz im Sinne seiner Konstruktion.
Durch die Auswirkungen des Leitdamms haben sich Priele verkleinert, verlagert, manche sind ganz verschwunden. Im Uferbereich, vor den Stränden von Duhnen und insbesondere Döse droht die Verlandung. Das natürliche Verdriften von Sand und Sedimenten ist erheblich beeinträchtigt, das strukturlose Watt vor Duhnen und Döse augenscheinlich nicht intakt. Die dunklen Misch- und Schlickwatten, die durch die Besiedelung mit Kieselalgen, leicht rötlich erscheinen, haben sich stark ausgedehnt. Das hellere Sandwatt liegt mittlerweile in großem Abstand zum Ufer.
Auch das Ausgreifen des Priels „Sahlenburger Loch“ nach Nordosten, in der unteren Bildmitte, mit dem deutlich sichtbaren „Stausee“ hinter der Furt, ist wunderbar zu erkennen.
Neben der Wirkung des Leitdamms kann auch der Eintrag von Sedimenten und Schadstoffen, durch belastetes Baggergut, aus der Fahrrinnenbewirtschaftung in der Elbe, nicht ausgeschlossen werden.
Cuxwatt zwischen Elbe und Neuwerk 2018-2020


Das Wattenmeer zwischen Neuwerk und Cuxhaven im Jahr 20018 (linke Seite) und 2020 (rechte Seite).
Der Einfluss des Leitdamms zeigt sich nicht nur im langfristigen Zeitraum, sondern ist bereits im Vergleich von nur zwei Jahren sichtbar. Das einstige Neuwerker Fahrwasser verlandet weiter und wird wohl irgendwann ganz versanden. Die Lebensadern des Wattenmeers, die Priele verschwinden aus dem des Duhner- und Döser Watt. Die Verlandung droht.
Neulandbildung an der Dithmarscher Küste


Das in der Fahrrinne der Tidenelbe anfallende Baggergut wird vor allem im Bereich der Elbmündung verklappt. Während ein Teil davon in die benachbarten Wattgebiete driftet, zum Teil wieder in der Fahrrine absetzt (um dann erneut abgebaggert zu werden), legt sich ein bedeutender Teil der Sedimente an die Dithmarscher Küste. Das Wachstum der Salzwiesen in das Watt hinein ist rechts der Bildmitte sehr gut zu erkennen.
Übersichtskarte

Weitere Beiträge zu diesem Thema:
- Am Leitdamm: Unterwegs im Döser Watt
- Neues vom Duhner Loch
- Veränderungen im Watt vor Duhnen und Döse
- Das Neue Duhner Loch
- Die Folgen des Leitdamms für den Wattenweg
- Ist die Insel Neuwerk bald nicht mehr erreichbar?
- „Rettet das Watt“ vor Cuxhaven
siehe auch:
Weitere Informationen:
So lange keine Maßnahme am Leitdamm erfolgt (z. B. Absenkung), wird die Verlandung und die Verschlickung des Duhner und Döser Watts immer mehr voranschreiten.
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Traurig, aber letztendlich wir die Natur schon dafür sorgen, dass es zum Ausgleich kommt. Denn die Natur gewinnt immer.
LG Bernhard
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Schon, im Verlauf von Tausenden Jahren. So kurzfristig und innerhalb eines Menschenlebens sieht die Sache schon anders aus.
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