Zwischen mir und meinem Tagesziel liegen noch einige Kilometer Autofahrt. Schon mehrfach bin ich an der Diavolezza-Seilbahn vorbeigefahren, heute möchte dort hinauf. Zunächst geht es durch das frühsommerliche Vingschau bevor ich in das Val Müstair abbiege. Schnell folgt die Grenze zur Schweiz und der eidgenössische Zoll. Seit einer ziemlich intensiven, aber erfolglosen Kontrolle durch ebendiesen bin ich in diesem Punkt etwas allergisch. Grundlos in diesem Fall. Es folgen einige enge Ortsdurchfahrten, dann geht es hinauf zum Ofenpass (2.149m). Kurz vor der Passhöhe passiere ich die Abzweigung zum Skigebiet Minschuns– ist das schon lange her. Eigentlich sollte hier noch Schnee liegen, eigentlich. Nur von den Gipfeln grüßt es weiß. Nach überschreiten des Scheitelpunktes geht es dann hinunter ins Engadin.

Ich folge dem oberen Inn flussaufwärts bis vor die Tore von St.Moritz und biege dann in Richtung Berninapass ab. Nach einem kurzen Halt am Aussichtspunkt zum Morteratschgletscher erreiche ich mein Ziel kurz vor der Passhöhe. Die Talstation der Diavolezza Seilbahn.
Die Diavolezza ist eine 2.973m hohe Erhebung, geradezu winzig im Vergleich mit den Bergriesen in der unmittelbaren Nachbarschaft – aber ein einmaliger Aussichtspunkt. Das dazugehörige Skigebiet ist eher klein. Neben der Talabfahrt an der Seilbahn, die immerhin 880 Höhenmeter auf fast 5 Kilometer Länge aufweist, gibt es nur noch einen weiteren Lift. Die „Gletscher-Seilbahn“ erschließt den oberen Kessel auf den Eisresten des winzigen Diavolezzafirns. Einstmals wurde hier Sommerskilauf betrieben, heute ist der Gletscherrest praktisch verschwunden. Die Pisten sind, in dieser Form, nur durch aufwändiges Snowfarming zu halten. Davon ist aber im Winter nichts zu sehen.
Nach dem Skipasskauf, 57 Franken (52,2€) werden für ein Vormittagsticket fällig geht es zügig auf den Berg. Die Gondel ist kaum gefüllt, schnell geht es nach oben – 8 Minuten später stehe ich auf dem Berg. Die Kulisse hier oben ist – überwältigend, das Panorama, umwerfend. Der Begriff „Festsaal der Alpen“ ist fast noch untertrieben. Das Skifahren habe ich erstmal vergessen, meine Bretter stehen irgendwo vor der Bergstation. Der Blick schweift vom Piz Palü (3.900m) zum Piz Bernina (4.049m). Dann über den Persgletscher bis zum Eisstrom Morteratsch. Faszinierende Eisformationen, schroffe Felsen – ich bin überwältigt. Klar, die Fernsicht von Zugspitze, Dachstein & Co, die gibt es hier oben nicht. Dafür sind die Berge hier einfach zu hoch, aber dafür, sind sie da. Deshalb bin ich hier.

Nach einer ganzen Weile schnalle ich mir dann doch die Ski an. Trotzdem halte ich bei jeder Bergfahrt, sei es mit der Seil- oder der Sesselbahn inne. Zum Skigebiet, die oberen „Gletscherabfahrten“ sind relativ kurz. Die Hauptabfahrt ist etwa 1000m lang bei 200m Höhendifferenz, oben steil, in der Mitte flach unten dann wieder etwas steiler. Der Schnee ist zwar recht hart – aber toll zu fahren. Die Piste macht Spaß. Links der Sesselbahn gibt es noch eine weitere, Bullispurbreite Abfahrtsvariante. Es ist so gut wie nichts los, vielleicht 50 Skifahrer im Gebiet, die man aber selten zu Gesicht bekommt. Für etwas Abwechslung sorgt ein Synchronskiteam – das macht optisch schon was her.
Neben den Gletscherabfahrten gibt es noch die Talabfahrt, die eigentliche Hauptpiste. Diese ist überwiegend einfach mit 2-3 Paradehängen im Verlauf, Abfahrtsvarianten gibt es heute keine. Der Schnee ist hier und dort, wo die Sonne hinkommt, bereits in traumhaften Firn verwandelt. Dennoch, der Schnee ist teils schon etwas knapp. Die ein oder andere braune Stelle gibt es bereits, vor allem in Richtung Talstation. Nach oben geht es wieder mit der Gondelbahn, wobei der Weg durch die Talstation, auf Dauer, schon etwas beschwerlich ist. Das ließe sich sicher besser lösen, beispielsweise Drehkreuzen direkt am Gondelzugang.
Die Diavolezza ist an sich, ein relativ unspektakuläres, aber nettes Skigebiet. Das gilt vermutlich auch bei geöffneter Verbindung zur benachbarten Lagalp, wo eine weitere Pendelbahn rassige Abfahrten erschließt. Die Lage des Gebietes, vor allem aber das Panorama an der Bergstation sucht sicher seinesgleichen und reißt alles herraus. Vermutlich hätte ich den Skipass (der kostentechnisch, auch für Schweizer Verhältnisse recht happig ist) auch nur für diese Aussicht bezahlt. Man hat eben ein echtes Alleinstellungsmerkmal (!).
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