Ende der Eiszeit: Rekordsommer im Pitztaler Gletscherskigebiet

Der Pitztaler Gletscher bildet das höchstgelegene Wintersportgebiet in Österreich und den Ostalpen.  Keine Seilbahn in Österreich führt so hoch hinauf wie die Wildspitzbahn – am Hinteren Brunnenkogel erreicht sie eine Höhe von 3.428m. Höhe heißt (fast) immer auch niedrigere Temperaturen. Dies gilt noch heute – allerdings auf einem allgemein höheren und weiter ansteigenden Temperaturniveau. Schnee hat es inzwischen auch in 3.400m Seehöhe schwer, den Sommer zu überdauern und nach vielen Jahren schließlich zum Gletschereis zu werden. Doch das Jahr 2022 bricht bisher alle Negativrekorde für das einstmals „ewige Eis“. Der Schnee ist weg.

„Kleines“ Skigebietn grandioser Hochgebirgswelt

Das Skigebiet ist kompakt, weiß aber durch wenige lange Lifte, entsprechenden Abfahrten  und vor allem einer grandiosen Hochgebirgskulisse zu gefallen. Im Spätwinter ist der Pitztaler Gletscher immer wieder einen Besuch wert – auch aufgrund seiner (sehr) hochalpinen Lage und der, dank Höhe, guten Schneeverhältnisse. Ich bin hier immer gerne gefahren – und werde dies auch in Zukunft, so es sich anbietet. Die Kulisse wird bleiben auch ohne Eis, zumindest im Winter. Im Sommer sieht das anders aus…

Ein Gletscherskigebiet verliert seine Gletscher

Das Skigebiet tangiert und nutzt den Mittelbergferner, einen der längsten und größten Gletscher Österreichs. Die Traurige Wahrheit: Wie alle Gletscher wird auch dieser durch den Klimawandel stark in Mitleidenschaft gezogen. Inzwischen ist er in mehrere Teile der zerfallen, einen großen östlichen, einen kleinen mittleren sowie den östlichen, der mittlerweile auf den Namen Brunnenkogelferner hört (und inzwischen selbst in zwei Teile zerfallen ist) – und das Eis schmilzt weiter. Noch schneller als erwartet macht der Klimawandel den Alpengletschern den Garaus. Vor unseren Augen und nach menschlichen Maßstäben unumkehrbar. 

Sommer 2022 mit Rekordverlusten für die Gletscher

Nachdem schneearmen Winter und einem bislang sehr heißen Sommer sind die Gletscher bereits seit Juli blank – schneefrei. Es geht an die Substanz. Die Gletscher schmelzen so schnell wie nie zuvor. Der Sommer 2022 wird wohl alle bisherigen Rekorde brechen – wenn nicht sogar pulverisieren. Die Spuren sind im Skigebiet, natürlich vor allem auf den schwindenden Eisflächen, nicht zu übersehen. Nur sporadisch finden sich noch grau-braune Firnflecken – Altschnee aus den vorherigen Wintern. Überall rinnen Schmelzwasserbäche und schneiden sich in das Eis. Neue Seen bilden sich. Felsen, die seit Jahrhunderten von Eis bedeckt waren, apern aus, sind wohl zum ersten Mal für menschliche Augen sichtbar. Die Gletscher zerfallen vor unseren Augen in immer kleinere Eisflächen, fließendes Gletschereis findet sich mangels Nachschub kaum mehr. Das Eis schmilzt sowohl an der Zunge als auch im einstigen Nährgebiet. An der Oberfläche setzten ihnen hohe Temperaturen, Sonne und warmer Regen zu. Schmelzwasserbäche fressen sich Höhlen unter dem Eis – die irgendwann einstürzen.  Einst dauerhaft gefrorenen Berggipfel und Felswände tauen auf und zerbröckeln, der Permafrost schwindet. Das Eis unterhalb der Felswände beginnt im Schutt zu ertrinken.

Mit Maschinen gegen den Klimawandel

Im Pitztal lässt das Sterben der Gletscher und der verzweifelte Versuch des Skigebietes, kurzfristig zu retten, was zu retten ist, eindrucksvoll beboachten. Der Pitztaler Gletscher ist ein Beispiel für die Transformation eines Gletscherskigebietes in ein Winterskigebiet. Trotz großer Schmelze wird es hier noch einige Jahre lang Gletschereis geben – ganz zur Freude der Bauindustrie, die hierdurch jährlich viele Kubikmeter Fels, Geröll und Schutt auf- und abtragen kann. So haben hier oben nicht nur Freunde der Klimaapokalypse etwas zu sehen, sondern auch die Fans von schweren Baumaschinen bei der Arbeit. Bemerkenswert ist außerdem, wie es gelungen ist, die illegal in Eis und Fels gehämmerte Baustraße durch das Mittebergtal und anschließend über den Gletscher (also zumindest bevor er geschmolzen ist), als Abfahrt, genannt Notweg zu verkaufen. So kann das schwere Gerät endlich auch ohne großen Aufwand an seinen Bestimmungsort gelangen. Auch die unansehnlichen, aber durchaus effektiven und nützlichen Gletscherabdeckungen gehören inzwischen zum Bild eines sommerlichen Gletscherskigebietes wie das blanke Eis. Die Frage bleibt – wie lange noch? Die teuren Seilbahnen müssen auch in der schneelosen Zeiten Geld erwirtschaften. Auf einer Dauerbaustelle lässt sich das schwerlich realisieren.


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Verweise:

 

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