Bremerhaven ist so etwas wie der heimliche Heimathafen der Kreuzfahrtreederei Phoenix-Reisen. Ab dem Frühjahr bis in den Herbst hinein steuern die vier weißen Riesen ohne weiße Weste, Deutschland, Albatros, Artania und Amadea von der Seestadt aus ihre Ziele in Nord- und Ostsee sowie im nördlichen Atlantik und der Arktis an. Fast jede Woche liegt mindestens eines der Schiffe an der Columbuskaje. Fast die Hälfte der 111 Schiffsankünfte geht auf das Konto der Phoenix-Flotte was etwas mehr als 25% des Passieraufkommens entspricht. Zeit für eine kritische Reflexion.

Heimlicher Heimathafen Bremerhaven
Heimlich ist der Heimathafen deshalb, weil natürlich auch die Schiffe von Phoenix-Reisen unter einer Billig-Flagge fahren, sonst müsste man in Deutschland Steuern bezahlen, deutsche Löhne, Sozialabgaben und nicht zu vergessen, an Bord auch heimisches Recht anwenden. Das kommt natürlich überhaupt nicht in die Tüte. Ein heimlicher Heimathafen ist damit kein Kompliment, auch wenn die Lokalpresse das gerne so darstellt.

Wahnsinn Kreuzfahrt…
Insgeheim nimmt man diesen Irrtum natürlich gerne in Kauf. Deutschland, das klingt nach Sicherheit, Verlässlichkeit, halbwegs fairen Löhnen und natürlich auch ein bisschen nachhaltig. Das können die Bahamas nicht bieten, dafür aber niedrige Steuersätze und damit hohe Gewinne und Wachstum für die Reederei. Das ist schließlich die Hauptsache. Während also die Gäste an Bord im vermeintlichen Luxus schwelgen, die Motoren hochgiftige, natürlich steuerfreie, Ölabfälle verbrennen, schuften unter Deck asiatische Billiglöhner in stickiger Luft und ohne Tageslicht. Das 19. Jahrhundert lässt grüßen – wobei, das ehemalige Oberklassevergnügen ist heute oft keines mehr. Das exklusive Kreuzfahrterlebnis wurde von Massentourismus überrollt und damit auch entlegensten Winkel der Ozeane.
Treffen der Giganten – 4 Schiffe von Phoenix-Reisen
Einmal im Jahr treffen sich alle Vier Kreuzfahrtschiffe, Amadea, Artania, Albatros und Deutschland in Bremerhaven. In diesem Jahr Anfang August. Dieses Ereignis ist natürlich vor allem ein PR-Gag – während des laufenden Betriebs. Das Ganze wird Publikumswirksam inszeniert, geht durch die Presse und eignet sich natürlich hervorragend für Hochglanzaufnahmen für den Urlaubskatalog. Da zu dieser Zeit auch an der Nordseeküste Hauptsaison herrscht, ziehen die Schiffe tausende schaulustige Urlauber an – wovon Bremerhaven natürlich auch profitiert. Die Besuchergalerie ist voll. Auf der einen Seite ein Erlebnis, auf der anderen Seite ein nicht zu verachtender, kostenloser, Werbeeffekt – für Stadt und vor allem für die Reederei. Das sich ganz nebenbei auch für die Crews die Möglichkeit bietet, sich gegenseitig zu treffen, ist zwar nett, dürfte in der Realität mehr oder weniger Nebensache sein. Bremerhaven, versucht jedenfalls ein guter Gastgeber zu sein und ist es wohl auch. Die klamme Seestadt, die selbsternannte Klimastadt, kann jeden Euro gut gebrauchen. Da kommt es gelegen, dass mit der Taufe der Amera seit Mitte August ein fünftes Kreuzfahrtschiff in den Diensten von Phoenix-Reisen steht.
Faszination Kreuzfahrt…
Dem Spektakel von vier abglegenden Schiffen kann auch ich mich nicht entziehen. Stilecht, mit Kapelle und Shanty-Chor stechen die Kreuzfahrtschiffe der Reihe nach in See. Mit lautem Horn und Salutschüssen verabschieden sich die weißen Riesen, unter den Blicken hunderter Schaulustiger auf der Besuchergalerie, vorerst von der Seestadt. Ein bisschen Romantik ist dabei. Wenn man die negativen Seite der Kreuzfahrt für einen kurzen Augenblick ausblendet ist dieses Stück Seefahrtfolklore Balsam für die Seele des so gebeutelten Bremerhaven. Das Thema Kreuzfahrt zieht, jetzt gilt es die Wertschöpfung dieses Industriezweigs für die Seestadt zu erhöhen und vor allem die Schiffe sauber, mindestens aber sauberer zu machen. Die Politik hält alle passenden Schrauben in der Hand, jetzt müssen sie nur noch angezogen werden. Wenn alle Häfen mitziehen wird dies auch Funktionieren.

Klima- und Umweltbilanz von Phoenix Reisen
Die Schiffe von Phoenix Reisen sind vergleichsweise alt und damit, was ihren Schadstoff- und Treibhausgasausstoß angeht noch schmutziger als neuere Kreuzfahrtgiganten. Selbstverständlichen fahren die Schiffe mit Schweröl, die Abgase werden nicht gefiltert. Wie ist also die Bilanz der Schiffe auf ihren Reisen? Das ganze habe ich mir, mit dem Fokus auf die Treibhausgasemissionen, mal etwas genauer angeschaut. Mit erschreckendem Ergebnis:
Amadea (604 Passagiere, 29.008 BRZ – das „Traumschiff“ aus der gleichnamigen ZDF-Fernsehserie. ) 16-tägigen Kreuzfahrt in der östliche Ostsee.
CO2 Austoß pro Person 1): ~ 2.848 kg
Albatros (812 Passagiere, 28.518 BRZ – aus der ARD Doku-Soap „Verrückt nach Meer“) 7-tägige Fahrt durch die südliche Ostsee und das Kattegat.
CO2 Austoß pro Person 1): ~ 1.148 kg
Deutschland (520 Passagiere, 22.496 BRZ) 16 Tagen durch den Nordatlantik und die Arktis.
CO2 Austoß pro Person 1): ~ 4.192 kg
Artania (1260 Passagiere, 44.588 BRZ) 16 Tage Norwegische Küste bis Spitzbergen.
CO2 Austoß pro Person 1): ~ 2.752 kg

Zu den CO2 Emissionen kommen pro Schiff und Tag, durch die ungefilterte Schwerölverbrennung noch mehrere Tonnen Schwefeldioxyd, Stickoxyde (NOx) und eine gute halbe Tonne Feinstaub – das entspricht ungefähr dem Dreck, den mehrere Hundertausend PKW pro Tag erzeugen.

Übersicht – Columbus Cruise Center Kreuzfahrtterminal Bremerhaven
1) https://www.atmosfair.de/, Außenkabine mit 2 Personen belegung
2) https://www.tagesschau.de/faktenfinder/co2-emissionen-103.html
3) https://www.atmosfair.de/Atmosfair, durchschnittliche Airline in der Economy Klasse
siehe auch:
Verweise:
Das ist nicht meine Welt, ich bleibe bei meinem Frachtschiff… 😊😊😊
Da habe ich wenigstens meine Ruhe.
Lieben Gruß, Ewald
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Das ist zwar auch nicht meine Welt, hört sich aber nach echter Folklore an – nicht der aus dem Bilderbuch ;-).
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Das ist auch Folklore, such mal auf meiner Seite nach Frachtschiff, zweimal bin ich schon gefahren und die nächste Tour ist im Winter. Es geht nach Tornio in Finnland über die zugefrorene Ostsee mit Chance auf Nordlicht… 😊😊😊
Lieben Gruß, Ewald
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Find ich super – dafür hab ich aber noch nicht ausreichend Urlaub oder Freizeit ;-).
Zumindest deine 2015er Reise war mir bisher unbekannt. Super find ich, dass es nicht so ein Riesenpott ist auf dem du dich verlaufen kannst. Vor ein paar Tagen hatten wir hier das „neue“ größte Containerschiff liegen. Bei 22.000 Containern ists ja das reinste Labyrinth.
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Das Problem ist die Abfahrt, kann bis zu drei/vier Tage früher oder später sein. Du fühlst dich wie auf Kohlen. Die 2015 war toll, der Mälarensee war einsame Spitze.
Bei den großen Containerschiffen darfst du auch nicht bis vorne…
Lieben Gruß, Ewald
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Ich bin da zwiegespalten: einerseits sehe ich natürlich die gravierende und einschneidende Umweltverschmutzung, den Massentourismus und auch den Irrsinn, quasi eine ganze Kleinstadt in die entlegensten Winkel der Erde zu bringen, Stichwort Arktis Kreuzfahrt zB.
Auch hat der Kreuzfahrtboom ja auch gravierende Auswirkungen auf die Anwohner der sogenannten Hot Spots, in Bergen und an vielen anderen Orten zB sehen die Anwohner ihre Lebensqualität immer mehr schwinden.
Auf der anderen Seite übt die Seefahrt auch ihre ganz eigene Faszination aus: während einer Reise viele verschiedene Orte besuchen und Eindrücke gewinnen zu können und vielleicht auch ein Gefühl von Freiheit auf einem Schiff zu erleben.
Der romantischen Stimmung der drei aufbrechenden Schiffe im Abendlicht kann man sich nur schwer entziehen und durch das eigene Fernweh breitet sich unwillkürlich eine leichte Melancholie aus.
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Das sind einfach die Auswüchse des Massentourismus. Zu viel ist nie gut und macht für alle, alles kaputt. Romantik und das Fernweh sind nicht wegzudiskutieren. Die Frage ist, wie viel davon noch übrig ist, wenn tausende Kreuzfahrer an einem Ort gleichzeitig abgeladen werden.
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Deine Aufstellung über die Treibhausgasemissionen ist beeindruckend und erschreckend!
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